Ich war froh, wenn ich alle Filialen fand

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An der Diplomfeier im März 2020 erhielt Dominique Sieber den eidgenössichen Fachausweis als Logistikfachfrau. Sie durfte ausserdem die Gastrede halten. Quelle: Ruben Hollinger

Auf der Suche nach einer Arbeit, die sich mit der Betreuung ihres Kindes vereinbaren liess, kam Dominique Sieber als Lastwagenfahrerin zum ersten Mal mit der Logistik in Kontakt. Heute arbeitet die gelernte kaufmännische Angestellte dank der Weiterbildung zur Logistikfachfrau als Transport-Disponentin.

Pragmatisches Handeln und Denken ist in der Logistik eine erfolgsversprechende Strategie. Diese Fähigkeiten ermöglichten Dominique Sieber denn auch den Einstieg in eine Branche, mit der sie lange Zeit gar keine Berührungspunkte hatte. Denn die berufliche Laufbahn der Berner Oberländerin begann 2002 mit einer kaufmännischen Ausbildung im Gastgewerbe. «Meine Lehre und die darauf folgende Weiterbildung zur Lehrlingsausbildnerin absolvierte ich im Kurhaus Haltenegg Heiligenschwendi, wo ich an der Réception und in der Buchhaltung arbeitete», erzählt die heute 33-Jährige. Anschliessend vertiefte Sieber ihre Hotellerie-Kenntnisse während drei Monaten in einem Hotel in Thun. 

Die Nähe zur Tourismus-Branche ist familiär bedingt: Siebers Eltern betrieben lange Zeit das Hotel Waldrand im Berner Kiental. Als ihr Vater 2007 verstarb, übernahm die junge Frau den Betrieb, wofür sie auch die Wirteprüfung ablegte. «Zunächst führte ich das Hotel alleine. Als ich meinen damaligen Partner kennenlernte, arbeiteten wir gemeinsam im Betrieb. In dieser Zeit kam auch unsere Tochter zur Welt.» 

Die Beziehung hielt nicht, doch Sieber fand eine praktische Lösung, die es ihr ermöglichte, Arbeit und Kinderbetreuung unter einen Hut zu bringen: «Mit einem kleinen Kind alleine ein Hotel zu managen, ist unmöglich. Deshalb entschieden wir uns dafür, dass mein Ex-Partner weiterhin das Gasthaus führt. Ich hingegen arbeitete im nahe gelegenen Griesalp Hotelzentrum als kaufmännische Angestellte.» 
 

Neuland betreten

Siebers Leidenschaft für grosse «Brummis» seit Kindertagen eröffnete ihr 2014 die Möglichkeit zur beruflichen Neuorientierung. «Ich entdeckte per Zufall online ein Stelleninserat für Lastwagen-Chauffeure der Genossenschaft Migros Aare. Ich dachte, das wäre eine ideale Arbeit, um sie mit der Kinderbetreuung zu koordinieren.» Sieber erhielt die Stelle und durchlief eine «Schnellbleiche», bei der sie innerhalb weniger Tage zur Lastwagenfahrerin ausgebildet wurde. «So verlief mein Einstieg in die Logistik», stellt die Logistikfachfrau fest. 

Fortan belieferte die Berner Oberländerin Migros-Läden im Bereich Bern, Aargau und Solothurn mit Waren. Damit betrat sie Neuland im wahrsten Sinne des Wortes: «Ich kam sozusagen runter vom Berg. Ich kannte weder die Arbeit in einem Grossbetrieb, noch die Schweiz. Ich war jeweils froh, wenn ich alle Filialen fand, die ich anfahren musste», erinnert sie sich lachend.
 

Breite Palette an Möglichkeiten

Nach zwei Jahren als Fahrerin machte sich Sieber Gedanken über ihre weitere Karriere: «Ich überlegte, wie ich meine KV-Kenntnisse auch in diesem Beruf einsetzen könnte.» Denn die zupackende Frau interessierten mit der Zeit auch die logistischen Prozesse, die im Hintergrund ihrer LKW-Touren abliefen. «Mein Plan war, die Disponenten-Schule zu absolvieren», so Sieber. Ihre Vorgesetzten gingen auf ihren Wunsch ein, sich beruflich weiterzuentwickeln und boten ihr Mitte 2016 an, in der Disposition zu arbeiten. 

Gemeinsam entschied man sich, dass Sieber den Lehrgang zur Logistikfachfrau durchlaufen sollte: «Mit meinen Vorkenntnissen bot mir diese Weiterbildung eine anspruchsvollere und breitere Palette an Möglichkeiten als die Disponenten-Schule.» So holte sich der Branchen-Neuling den theoretischen Überbau für ihre Arbeit ab Anfang 2018 im Lehrgang von GS1 Switzerland, den sie Ende 2019 erfolgreich abschloss. 
 

Mehr Verantwortung

«Von der Weiterbildung versprach ich mir, die Lücken in dem vorhandenen praktischen Knowhow mit Fachwissen zu schliessen.» Das sei ihr mit dem Lehrgang gelungen, so Sieber. «Ich habe nun einen besseren Überblick und kann strukturierter arbeiten.» 

Den Unterricht empfand sie als sehr praxisbezogen. Heute kann Sieber Instrumente in ihrem Berufsalltag anwenden, die sie in deWeiterbildung kennenlernte. «Vor allem das Wissen aus den Bereichen Projektmanagement und Personalführung kommt mir zugute», sagt sie. Denn dank der Weiterbildung konnte Sieber mehr Verantwortung übernehmen: Seit Herbst 2019 ist sie stellvertretende Leiterin des Park-Teams und arbeitet seit 2020 an zwei grösseren Projekten mit.  
 

 

Intensives Lernen

Diesen Erfolg hat sie sich hart erarbeitet: «Nebst einem 80 Prozent-Pensum und der Betreuung meiner zehnjährigen Tochter war der Lehrgang mit zwei Unterrichtstagen alle zwei Wochen eine Herausforderung für mich», so Sieber. Um sich gründlich auf die Prüfungen vorzubereiten, zog sich Sieber mit Lehrgangs-Kollegen zweimal für einige Tage in eine Ferienwohnung zurück. «Wir erstellten genaue Stundenpläne, wann wir welches Fach bearbeiten. Dieses intensive und strukturierte Lernen hat mir sehr geholfen.» 

Als Transport-Disponentin hat Sieber nun eine ausfüllende Tätigkeit gefunden. «Ich kann meine Leidenschaft für die Lastwagen ausleben und mich dank der Funktion als stellvertretende Teamleiterin in der Personalführung betätigen – ein Gebiet, das mich ebenfalls sehr interessiert.»

Ausgelernt hat Sieber deshalb aber noch nicht. Erst kürzlich hat sie sich zur Betriebssanitäterin weitergebildet, und noch diesen Herbst tritt sie der Betriebsfeuerwehr bei. Dass diese Fortbildungen keinen logistischen Hintergrund haben, stört Sieber nicht: «Ich interessiere mich einfach sehr dafür. Das ist für mich Grund genug, mich weiterzubilden.»
 

Zur Person:

Dominique Sieber

Dank der Weiterbildung bei GS1 Switzerland konnte Dominique Sieber mehr Verantwortung im Betrieb übernehmen. Quelle: zvg

Dominique Sieber ist 1986 geboren und lebt im Berner Oberland. Nach einer KV-Lehre im Kurhaus Haltenegg Heiligenschwendi und erster Berufserfahrung in einem Thuner Hotelbetrieb übernahm sie 2007 das Hotel Waldrand im Kiental von ihren Eltern. Sie managte es zunächst alleine und später mit ihrem damaligen Partner. Nach der Trennung von ihm arbeitete Sieber als kaufmännische Angestellte im Hotelzentrum Griesalp. 2014 fing sie an, bei der Genossenschaft Migros Aare als Lastwagen-Chauffeuse zu arbeiten. Seit 2016 ist sie als Transport-Disponentin tätig und seit 2019 stellvertretende Leiterin des Park-Teams. Von 2018 bis 2019 absolvierte sie den Lehrgang zur Logistikfachfrau mit eidgenössischem Fachausweis bei GS1 Switzerland.

Autor: Julia Konstantinidis